BSG aktuell: Keine Vergütung ohne Berufserlaubnis

OPs eines Nichtarztes mit erschlichener Approbation müssen von Krankenkassen nicht bezahlt werden - Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26.04.2022 (Az.: B 1 KR 6/21 R)

Das BSG hat mit diesem Urteil geklärt, dass medizinische Behandlungen, die von nicht ausgebildeten Leistungserbringern erbracht werden, von den gesetzlichen Krankenkassen nicht zu bezahlen sind - unabhängig davon, ob der Arbeitgeber des Leistungserbringers von der Nichtausbildung wusste oder nicht und auch unabhängig davon, ob die Leistungserbringung in medizinischer Hinsicht richtig war und erfolgreich verlief.

Zum Sachverhalt aus der Pressemitteilung des BSG (das Urteil wurde noch nicht veröffentlicht): P, der nach seinem Medizinstudium keine ärztliche Prüfung abgelegt hatte, erlangte seine Approbation durch Vorlage gefälschter Zeugnisse und wurde von einem Krankenhaus, das auf die (echte) behördliche Approbationsurkunde vertraute, für sechs Jahre als Assistenz- und später als Facharzt beschäftigt. In dieser Zeit wirkte P auch bei Operationen an Patienten mit. Als die Fälschung offenbar wurde, erhielt P eine Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung und Urkundenfälschung. Die gesetzliche Krankenkasse verlangte vom Krankenhaus Erstattung von Zahlungen für die durch P (mit) vorgenommenen Behandlungen. Das Krankenhaus wandte ein, es habe auf die Richtigkeit der behördlichen Approbationsurkunde vertrauen dürfen; außerdem seien die von P erbrachten Leistungen medizinisch mangelfrei gewesen.

Diese Argumente hat das BSG zurückgewiesen und stattdessen den Erstattungsanspruch der gesetzlichen Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus bejaht. Es hat dazu wie folgt argumentiert:

  • Die Approbationsurkunde stellt nur eine widerlegbare Vermutung dafür dar, dass der Behandelnde die fachliche Qualifikation besitzt. Sie fingiert diese Qualifikation nicht. Deshalb war das Vertrauen des Krankenhauses auf die Richtigkeit der Approbationsurkunde unerheblich.

  • Dass die erbrachten Behandlungen medizinisch mangelfrei waren, war ebenfalls unerheblich, da es auf die nach dem SGB V, konkret in § 15 Abs. 1 SGB V (Arztvorbehalt), geforderte fachliche Qualifikation ankommt.

Das Urteil des BSG bestätigt, dass im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung eine formale Betrachtung erfolgt: Es kommt für das Bestehen eines Abrechnungsanspruchs weder auf subjektive Elemente des Vertrauens noch auf den medizinischen Erfolg der Behandlung an. Stattdessen müssen die nach dem SGB V geforderten Voraussetzungen der Leistungserbringung tatsächlich erfüllt sein. Auch für die podologische Praxis ist das BSG-Urteil von großer praktischer Bedeutung:

  1. Bei nicht bestehender Zulassung von Leistungserbringern sind Leistungen nicht abrechenbar müssen schon erhaltenen Vergütungen zurückerstattet werden. Das bezieht sich auf die erforderliche Ausbildung (samt Fortbildungen) von Therapeuten. In gedanklicher Weiterführung bezieht sich das aber auch auf die Praxisausstattung. Maßgeblich ist § 124 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit den Bestimmungen des Versorgungsvertrags.
  2. Dabei kommt es auf das objektive Bestehen der Voraussetzungen an, nicht auf subjektive Vorstellungen, mögen diese auch gutgläubig sein. Dieser Umstand kann besondere Bedeutung v.a. bei der Praxisausstattung gewinnen. Diese müssen tatsächlich entsprechend den gesetzlichen bzw. vertraglichen Bestimmungen vorliegen; ein subjektiver Irrtum des Praxisinhabers über das Vorliegen aller Voraussetzungen schützt nicht vor Rückforderungen.

  3. Schließlich geht aus dem Urteil des BSG klar hervor, dass der Behandelnde selbst alle beruflichen Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen muss. Es reicht also nicht aus, wenn ein ausgebildeter Podologe nicht ausgebildete Personen bei deren medizinisch indizierten Behandlungen beaufsichtigt, es sei denn, es handelt sich um Schüler in deren praktischen Zeiten. Nicht ausgebildete Personen dürfen nur und ausschließlich kosmetische Dienstleistungen vornehmen. Diese fallen aber nicht in den Anwendungsbereich des SGB V und sind ohnehin nicht abrechenbar gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen.

Im Ergebnis ist dem Urteil des BSG in allen Punkten zuzustimmen. Es ist ein deutliches Signal für Qualitätssicherung im medizinischen Bereich, die sich nur durch ausgebildete Therapeuten herstellen lässt.

 

Dr. Karin Althaus-Grewe, Rechtsanwältin bei E&S, Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz

 

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